Volkstrauertag in Nindorf
Die Rede vom Vorsitzenden der Kyffhäuser Kameradschaft Nindorf
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Auch gute Menschen müssen sterben, aber der Tod kann ihre Taten und Namen nicht löschen." Mit diesen Worten von dem deutschen Journalisten Friedhelm Franken heiße ich Euch heute am Volkstrauertag hier am Nindorfer Ehrenmal herzlich willkommen.
An diesem Platz erinnern uns die Namen auf den Gedenksteinen an Nindorfer Bürger, die in den Weltkriegen auf den Schlachtfeldern Europas ihr Leben ließen. Sie alle hatten, als sie ihren Heimatort verließen, die patriotischen Reden und die kriegerischen Parolen im Ohr, mit denen verblendete und skrupellose Politiker ihnen das bevorstehende Leid zu erklären versuchten. Man manipulierte ihr Urteilsvermögen, blendete ihr Bewusstsein und täuschte eine Realität vor, die niemals existierte.
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Krieg, Tyrannei, Unterdrückung und Gewaltherrschaft beginnen nämlich nicht erst dann, wenn der erste Schuss fällt und die ersten Toten zu betrauern sind. Nein, es geschieht schleichend, manchmal fast unbemerkt und es verbreitet sich wie ein Virus. Niemand ist davor gefeit, keine Nation und keine Einzelperson.
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Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen, wir wollen heute gemeinsam der Kriegstoten und Opfer von Terror und Gewaltherrschaft aller Nationen gedenken. Wir gedenken aber auch der Bundeswehrsoldaten und anderer Einsatzkräfte, wie z. B. Feuerwehr, THW und Rettungsdienste, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen. Wir wollen uns erinnern an den Verlust, den wir erlitten haben, und an die Vergänglichkeit allen Lebens, insbesondere in Zeiten des Krieges und des Terrors.
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In vielen Teilen der Welt herrscht schon wieder Terror, Gewalt und Unterdrückung. Einen erneuten Krieg in Europa haben viele von uns bis vor wenigen Jahren für unwahrscheinlich gehalten – auch wenn es mit dem Jugoslawien-Krieg 1991/92 bereits schon einmal einen Rückfall in längst vergangen geglaubte Zeiten gab.
Ja, wir haben uns „sicher“ gefühlt. Aber seit dem russischen Angriffskrieg ist dieses Gefühl zumindest dem der Unsicherheit gewichen.
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Jetzt, viele Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges dominiert heute leider ein verbreiteter Egoismus, der da heißt:Ich als erster! Oder jetzt wieder „America First“! Hätten die Generationen zum Ende des zweiten Weltkrieges diese Einstellung gehabt, würden wir heute bestimmt nicht so leben, wie wir es jetzt dürfen. Freiheit wäre ein Wunsch, Sicherheit gäbe es nicht, ein friedliches Nebeneinander wäre im allerbesten Falle eine Momentaufnahme. Seid euch eurer Vergänglichkeit bewusst und rückt das Erbe, welches ihr der Gesellschaft weltweit hinterlasst in den Mittelpunkt. So wie es unsere Vorväter nach Ende des Großen Krieges zu verstehen vermochten. Erinnert euch an das Vergangene, denn nur wer sich erinnert kann aus der Vergangenheit lernen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Zu schnell vergessen wir, wie glücklich wir uns schätzen sollten.
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Jeder hat schon einmal jemanden oder etwas verloren. Das verbindet uns in unserem Gedenken. Hier, an diesem Ort, hinter uns das Ehrenmal und ohne unsere Worte die absolute Stille an einem Novembermorgen... Denn, wir sind alle heute hier, um uns gegenseitig daran zu erinnern, wie viele Menschen Krieg und Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen sind und es gerade jetzt weiterhin tun. Wir werden unsere verstorbenen Mitmenschen, Freunde, Verwandte, Bekannte, immer bei uns tragen und sie so am Leben erhalten. So ist es mit denen, erst vor wenigen Jahren Verstorbenen, aber auch mit den Opfern der Weltkriege.
Auch wenn wir ihre Namen vielleicht nicht mehr kennen, geben unsere Gedanken ihnen hoffentlich den Frieden.
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Vergessen muss nie endgültig sein. Gedenken, Trauer und Erinnerungen an vergangene Tage sind immer eng verbunden. Solche, die wir für immer erhalten möchten, weil wir glücklich waren. Aber auch solche, die uns heute noch den Schmerz spüren lassen. Auch wenn ich nicht aus eigener Erfahrung weiß, wie ein Leben im Krieg ist, weiß ich, wie sich Trauer anfühlt. Ich weiß, wie es ist, friedlich aufzuwachsen. Ich weiß, wie es ist, wenn der Alltag von Frieden bestimmt ist, und das Wichtigste daran ist: Ich bin mir dessen und der Zerbrechlichkeit des Friedens in unserer heutigen Welt bewusst.
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Denn Frieden ist kein momentaner Zustand, vielmehr ist er ein Weg, den man Schritt für Schritt geht; ob man nun Frieden mit anderen oder sich selbst schließt.
Deshalb ist und bleibt der Volkstrauertag von großer Bedeutung, weil er uns zeigt, was passiert, wenn wir nicht für unsere Werte, unsere Demokratie und ein friedliches Miteinander einstehen.
Dafür sollten wir jederzeit eintreten. Lasst uns mutig sein und dazu einen Moment schweigen. ………………………
Treffen beim Dörpshuus
Kurz vor halb 11. Abmarsch zum Ehrendenkmal
Der Vorsitzende der Kyffhäuser Kameradschaft Nindorf